Die nachtaktive Ährenmaus (Mus spicilegus) führt ein verstecktes Leben auf den Feldern zwischen Parndorfer Platte und Hanság im Seewinkel. Bei einer Begegnung würde sie nicht weiter auffallen, da sie ihrer Verwandten, der Hausmaus, sehr ähnlich sieht. Zwischen Herbst und Frühjahr macht die Ährenmaus jedoch durch ihre Vorratshügel auf sich aufmerksam.
Im Spätsommer beginnen zwischen zwei bis elf Ährenmäuse Blütenköpfe, Rispen und Ähren zu sammeln und zu einem gemeinsamen Hügel aufzuschichten. Analysen zeigen, dass bevorzugt Samen von spätfruchtenden Gräsern und Beikräutern (z.B. Kamille, Gänsefuß oder Fuchsschwanz) für den Hügelbau verwendet werden. Aber auch zurückgelassene Erntereste, wie Getreidekörner, werden gesammelt. Stehendes Getreide ist Großteils nicht nutzbar, da die Samen einen gewissen Trocknungsgrad erreicht haben müssen, um über den Winter haltbar zu sein. Wenn genügend Sämereien zusammengetragen wurden, werden diese mit Erde abgedeckt. So entstehen Vorratshügel von bis zu 40 cm Höhe. Wenn die Nahrungssuche im Winter nicht erfolgreich ist, können die Ährenmäuse von ihren Rücklagen zehren. Diese Art der Vorratshaltung ist unter den Nagetieren einzigartig. Unter dem Nahrungsspeicher wird ein Gangsystem angelegt, in dem die Tiere vor den niedrigen Temperaturen im Winter geschützt sind.
Auf intensiv genutzten Feldern haben die Ährenmäuse und ihre Vorratshügel jedoch keinen Platz mehr. „Saubere“ Erntetechniken, die kaum Erntereste auf den Äckern zurücklassen, der Rückgang an Feldrainen sowie der Einsatz von Herbiziden vernichten die Nahrungsgrundlage und Lebensraum dieser Nagetiere. Nach der Ernte werden die Äcker rasch umgebrochen und neu bestellt, wodurch die Hügel zerstört werden. In der Roten Liste der Säugetiere Österreichs ist die Ährenmaus daher als gefährdet eingestuft.
Aus diesem Grund wurde vom Verein BERTA ein Artenschutzprojekt ins Leben gerufen. Im Zuge dessen wurde im Rahmen der ÖPUL-Naturschutzmaßnahmen ein Auflagenpaket entwickelt, das eine „ährenmausfreundliche“ Bewirtschaftung gewährleistet. So muss auf den beantragten Flächen eine Bodenbearbeitung zwischen Herbst und Frühjahr unterbleiben. Ebenso wird der Anbau von Kulturen, die für die Ährenmäuse zum Hügelbau nutzbar sind, gefördert.
Derzeit gibt es im Bezirk Neusiedl am See insgesamt 30 Ährenmaus-Schutzflächen, die sich auf die Gemeinden Frauenkirchen, Gols, Illmitz, Podersdorf und Wallern im Burgenland aufteilen. Im Jahr 2019 konnte die Flächenanzahl signifikant gesteigert werden, da 19 Flächen in das Projekt aufgenommen wurden. Bei Erhebungen konnten bis zu 20 Vorratshügel auf einem Feldstück gezählt bzw. eine maximale Dichte von einem Hügel je 300 Quadratmeter nachgewiesen werden.
Im März nehmen die Ährenmäuse wieder ihr verborgenes Leben auf und verlassen ihre auffälligen Winterquartiere, um den Sommer auf Feldern in einfachen Erdbauten zu verbringen.
DI Susanne Rachbauer